von Paul Goeths
Ach? Du willst die Fichtelgebirgsautobahn?
Dann laß‘ Dir erzählen, in welchem Sumpf diese Suppe gekocht wird – und denk an das Dschungelbuch – die Szene, in der Mogli von der Schlange Kaa hypnotisiert wird.
Tschaa, ganz cool fand ich z.B. den Bauamtsleiter in Bayreuth, H. Schnabel – er trat am 08. Juni bei einer Informationsveranstaltung in Arzberg auf.
Da musste sich Schnabel hinstellen und eine Verkehrsprognose abgeben, hinter der er selber als Privatmensch wohl nicht ernsthaft stehen kann – er gab an, dass der Verkehr sich auf dem Teilstück Schirnding – Marktredwitz bis 2025 verdoppeln wird (auf wahnsinnig imponierende ca. 10.000 Fahrzeuge ... ehm ... das entspricht grade mal der Durchschnitts-Belastung einer Bundesstraße ... keinesfalls für eine Autobahn ausreichend).
Die Steigerung ist komplett aus der Luft gegriffen – und die Verantwortlichen wissen das auch: Schließlich sinken die Verkehrszahlen auf diesem Abschnitt seit 1993. Noch mal deutlich: Aus einer realen Absenkung der Verkehrszahlen wird hier eine Verdoppelung konstruiert. Da möchte man die Verantwortlichen schütteln und fragen, wie sie dazu kommen. Schnabel konnte dazu nichts Erhellendes beitragen: Eine sachliche Begründung für diesen mathematischen Unsinn gab er nicht - es sei eben eine Prognose.
Hier die amtlichen Verkehrszahlen:
Die dick markierten Werte entstammen den automatischen Dauerzählstellen (ebenfalls amtliche Zahlen), Werte der Bundesanstalt für Straßenwerte für nach 2005 liegen noch nicht vor.
Die Betonfraktion nimmt frechheitshalber den Verkehrswert zwischen Marktredwitz und Alexandersbad – verschwiegen wird: Das ist hausgemachter Verkehr.
Schirnding passieren (beide Fahrtrichtungen zusammen) rund 5.200 Fahrzeuge – Tank-Touristen inclusive. Bischofsgrün wird von rd. 5.500 Fahrzeugen passiert – damit ist der echte Durchgangsverkehr mit maximal 5.500 Fahrzeugen anzusetzen. Das rechtfertigt bei den sinkenden Verkehrszahlen natürlich keine Autobahn. Aber das interessiert die treibenden Kräfte in Politik und Wirtschaft nicht.
Wenn natürlich eine Autobahn angeboten wird, dann dürfte es auch zu den hohen Verkehrsbelastungen kommen. Das heißt, wir machen uns den Verkehr erst. Ist das nicht pervers?
Autobahn bringt Arbeitsplätze
Hm, eine wunderbare Aussage. Schade, dass sie so nicht stimmt. Schau Dir Hof an: Hof ist von drei Autobahnen umgeben – aber in Bezug auf Arbeitsplätze hat das Hof nicht grade spürbar geholfen.
Dagegen steht das Beispiel bayerischer Wald – das war immer eine wirtschaftlich schwache Region, eine Autobahn gibt’s dort auch nicht (!). Was es aber dort gibt, waren rührige Leute, die sich Gedanken um das wirtschaftliche Vorwärtskommen gemacht haben. Denen ist zu verdanken, dass diese Gegend heute wirklich stark dasteht. Da spielt die Musik – eine Autobahn ist nicht automatisch Arbeitsplatzbringer. Im Gegenteil: Auf so einer Autobahn kann man sich jeden Tag hinstellen und zugucken, wie die Arbeitsplätze an uns vorbeifahren. Schließlich gibt’s in Czechien noch auf ein paar Jahre günstigere Löhne ... schon klar, dass sich Industrie-Betriebe dann lieber z.B. in Arzberg ansiedeln werden. Das versteh‘ ich supergut ... man muss mir das nur noch ein paarmal erklären. Bestimmt glaub‘ ich das dann.
Arzberg kriegt Autobahn, das Fichtelgebirge glücklicherweise vorerst nicht
Man kann’s wohl nicht anders sagen: östlich der A 93 hat man in Bezug auf die Autobahn nichts unternehmen wollen. Die Bürger-Initiative gegen die Fichtelgebirgsautobahn hat zwischen der A 9 und der A 93 über 30.000 Unterschriften gesammelt, um ihren Protest gegen diese unselige Autobahn auszudrücken – das war letztlich der Grund dafür, dass die Autobahn nur bis Marktredwitz geplant wurde, mehr wurde nicht in den nur alle paar Jahre zu entscheidenden Bundesverkehrswegeplan aufgenommen.
Wenn Arzberg jetzt davon träumt, noch eine Trassenverlegung ein Stück weiter nördlich zu erreichen, dann wird dies mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Traum bleiben:
Nachdem der weitere Weg durch das Fichtelgebirge noch völlig unklar ist, kann man logischerweise das genehmigte Autobahn-Stück nur auf der bisher vorhandenen Route der B 303 führen.
Für eine Routen-Änderung braucht es einen neuen Bundesverkehrswegeplan – einen solchen wird’s angesichts der prekären Finanz-Situation des Staates so bald wohl eher nicht geben. Und ob eine Änderung speziell für Arzberg darin beschlossen wird, ist ebenfalls eher wenig wahrscheinlich: Die paar Arzberger Stimmen ... irgendwer muss eben drunter leiden. Das sind die Freuden, wenn man sich vorher nicht gegen eine Autobahn ausgesprochen hat. Völlig klar auch: Solange eine eventuelle Änderung nicht im Verkehrswegeplan steht, solange kann das Staatliche Bauamt in Bayreuth natürlich in Gemütsruhe die bisherige Planung weiter in betonierte Landschaft verwandeln.
Nun ja, aber ich bin sicher, die Stadt Arzberg wird in Kürze eine Unterschriften-Aktion starten, um eine Verlegung der Autobahn zu erreichen. Muss man ja, weil man sonst das Vertrauen der Bürger verliert.
Bisher haben wir kaum Verkehr – mit einer Autobahn locken wir ihn aber an.
Ein Blick in die Bayerische Verfassung – Artikel 131
"Oberste Bildungsziele sind Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor religiöser Überzeugung und vor der Würde des Menschen, Selbstbeherrschung, Verantwortungsgefühl und Verantwortungsfreudigkeit, Hilfsbereitschaft, Aufgeschlossenheit für alles Wahre, Gute und Schöne und Verantwortungsbewusstsein für Natur und Umwelt."
Ja saugut ... aber offenbar ist der Paragraph das Papier nicht wert, auf dem ersteht. Für uns ist’s viel wichtiger, ein fettes Betonband durch die Landschaft zu zimmern als die Landschaft zu erhalten.
Es ist viel wichtiger, mit einer Autobahn noch mehr Verkehr anzulocken, als zu versuchen, die Luft halbwegs sauber zu halten.
Ein Blick auf einen sehr verschwiegenen Verein
Die „Initiative Zukunft Fichtelgebirge“ (IZF) ... oh ja, die hat sich via Müller immer sehr um die Verwirklichung der Autobahn bemüht. Diese IZF war, wie die Frankenpost 2003 schrieb, Mitglied im Verein „GSV“ (Gesellschaft für umweltgerechte Straßen- und Verkehrsplanung), dem sehr nahestehend gibt es auch den „FSV“ (Fördergemeinschaft für umweltgerechte Straßen- ...blabla). Die IZG dürfte inzwischen nicht mehr Mitglied sein, seit ein Zusammenhang von IZF und GSV hergestellt worden war ... des is ja schließlich peinlich. Mega-peinlich. In diesem GSV / FSV waren nicht nur die IZF, sondern auch diverse Gemeinden im Fichtelgebirge Mitglied.
Hm ... die Lobby-Control (eine Gruppe, die sich Lobby-Arbeit in den Parlamenten näher anschaut) hat zu diesen geheimniskrämerischen (man findet nicht viel über sie im Internet) Organisationen folgendes notiert:
Aus einem FSV-Protokoll von 1997
- „Generell kann festgestellt werden, dass die Arbeit der GSV weiterhin notwendig ist. Die schlechte Ausstattung der Straßenbauverwaltungen mit Haushaltsmitteln muß durch eine aktive Öffentlichkeitsarbeit, die von den Bürgeraktionen aus erfolgt, an die Politiker und die Öffentlichkeit herangetragen werden.“
- „Besonders begrüßt wird die Verlagerung der Arbeit der GSV dahingehend, dass mehr Bürgeraktionen gegründet werden, die sich für Baumaßnahmen einsetzen, die z.Zt. nicht finanziert werden können.“
FSV (das ist diese Fördergemeinschaft)
einziger Zweck: finanzielle Unterstützung der GSV (die Gesellschaft für umwelt gerechten ...
FSV-Mitglieder im Laufe der Zeit
Bruchstückhafte Informationen:
- Deutsche Asphalt, Scheid Straßenbaugesellschaft (Strabag)
- Strabag, früher auch Philipp Holzmann AG
- Deutscher Asphaltverband, Bundesverband der Deutschen Zementindustrie
- DEUTAG Mischwerke, amo, Taunus-Quarzit-Werke, Südhessische Asphaltmischwerke, Westdeutschen Grauwacke-Union u.v.m.
- Diverse Baufirmen
- Spiegel 2003: Verband der Deutschen Autoindustrie, IHKs quer durch die Republik sowie die Verbände Beton-Marketing West, Nord und Ost, Süd Zement Marketing
- Zeitschrift mobilogisch: DaimlerChrysler, Volkswagen u.a.
Hmmmh ... das sind ja nun doch Firmen, die garantiert keinerlei Interessen haben, die Landschaft mit Beton und Asphalt zu verschandeln, die sind da ganz objektiv, ich schwör’s, ich glaub’s, ich bin überzeugt. Die sorgen sich ganz sicher darum, dass unnötige Straßen nicht gebaut werden. Selbst, wenn man mit so einer Autobahn viel Geld verdienen kann (nach Schnabel kostet die Verbindung Schirnding – A 9 zwischen 300 Mio und 1,6 Milliarden Euro) – das ist den illustren Baufirmen schnurz, die kümmern sich nur um Ideale. Mein Gott, was bin ich froh drum.
Kann gut sein, dass hier so mancher für diese Autobahn gekämpft hat, ohne ein Stück tiefer hinter die Kulissen zu gucken.
Wer einen Blick auf die Lobby-Control-Seiten werfen mag:
http://www.lobbycontrol.de/blog/index.php/2009/04/gsv-groteske-selbst-verleugnung/
http://www.lobbycontrol.de/download/GSV-Vortragsfolien.pdf
Die Autobahn wird herbeigeredet – lasst die Finger von dieser Autobahn. Das dafür verschwendete Geld ist im Sozial-Sektor besser untergebracht – die Kleinen werden finanziell gewürgt, damit ein paar Große in Saus und Braus leben können.
Übrigens Saus und Braus: Die Autos werden künftig dann mit 150 statt mit 100 km/h an Arzberg vorbeibrausen. Ist doch ein Fortschritt