Quer hat in seiner Sendung vom 15.12.2016 das Thema Ausbau der B303, Ortsumfahrung Schirnding, aufgegriffen.
Für die, denen Quer kein Begriff sein sollte:
Quer ist eine Sendung des Bayerischen Rundfunks, die Donnerstagabend um 20:15 Uhr im BR Fernsehen ausgestrahlt wird. Die Konzeption richtet sich an ein eher jüngeres und kritisches Publikum, moderiert und aufgelockert mit kabarettistischen Einlagen wird die Sendung von Christoph Süß.
Die Ankündigung des Beitrags:
"Sinnlos rieselt das Geld: 11 Millionen für Geisterstraße
Elf Millionen Euro lässt Bundesverkehrsminister Dobrindt als vorweihnachtliche Gabe auf die Marktgemeinde Schirnding schneien. Dafür soll die Ortsumgehung vierspurig ausgebaut werden. Dann können in Zukunft täglich 20 000 Autos die Umfahrung nutzen. Seltsam ist nur, dass hier nur 5000 Autos am Tag fahren und das Bundesverkehrsministerium selbst kaum steigende Verkehrszahlen prognostiziert. quer auf den Spuren eines Weihnachtsmysteriums."
Die komplette Sendung:
http://www.br.de/mediathek/video/sendungen/quer/161215-quer-komplett-100.html
Es ist wahrlich nicht einfach, die ganze Sache in 5 Minuten Sendezeit darzustellen. Aber Quer hat es geradezu meisterhaft treffend auf den Punkt gebracht.
Quer war für die Vorbereitung des Beitrags unter anderem in Kontakt mit den beiden Bürgerinitiativen gegen die Fichtelgebirgsautobahn und einem Verkehrswissenschaftler an der TH Nürnberg, Professor für intelligente Verkehrsplanung Harald Kipke; der Bericht basiert auf fundierten Fakten. Eindrucksvoll war die Bereitschaft hiesiger Landwirte, bildlich darzustellen, was nach dem Bau dieser zweikommafünfkilometerlangen Miniautobahn, diesem "nutzlosen Wurmfortsatz von Straße", passieren würde. Nämlich dass - neben diversen anderen Verkehrsteilnehmern - vor allem der gesamte landwirschaftliche Verkehr mit seinen immer größeren Maschinen die Ortsumgehung nicht mehr benutzen dürfte und gerade zur Erntezeit bis spät in die Nacht durch Schirnding fahren müßte.
"11 Millionen Euro für mehr Verkehr durch den Ort", in der Tat.
Auf der Internetseite von Quer gingen Kommentare zur Sendung ein, auch zu diesem Beitrag. Beispielsweise:
"Ausbau B303 ist eine verantwortungsloste und irrsinnige Steuergeldverschwendung. (..) Ich hoffe sehr, dass Ihre Sendung dazu beiträgt, diesen Wahnsinn noch zu stoppen."
Lieber Kommentator, Ihr Wort in Gottes Ohr.
Dem Quer-Betrag ist zu entnehmen, dass Schirnding vor kurzem einen Interessenten für eine Ansiedlung im Gewerbegebiet hatte, der dann aber wieder absagte, weil die Straßenverbindung nicht gut genug für ihn war. Dies ist selbstverständlich bedauerlich zu hören! Immerhin war die Firma aus Passau beispielsweise, die die ehemalige Porzellanfabrik gekauft hat, laut einem Frankenpostartikel vom Standort Schirnding überaus angetan, da Bahnhof im Ort und Autobahn in der Nähe. Vielleicht gibt es mit diesem Investor ein ähnliches Mißverständnis wie damals bezüglich des Fortbestands des Auslieferungslagers der Edeka in Marktredwitz.
Wenn man den Namen des abgesprungenen Investors nicht nennen mag, dann spricht aber zumindest nichts dagegen mitzuteilen, in welcher Branche er tätig ist.
Die Stadt Hohenberg machte mit einem Investor in ihrem Gewerbegebiet eine sonderbare Erfahrung.
Die Firma EPP baut dort.
Neun Hallen.
Auf den Dächern dieser neun Hallen wird Solarstrom erzeugt, im Inneren Brennholz.
Etliche Arbeitsplätze werden entstehen.
Was für erfreuliche Nachricht für Hohenberg!
Nur dass der Investor dann in Wahrheit keine einzige Halle errichtete, geschweige denn neun. Und er schuf auch keinen einzigen Arbeitsplatz für Holzlagerung und -verarbeitung, geschweige denn mehrere. Er baute nichts als eine simple Solaranlage--
Bei Informationen über Investoren, und über Firmenchefs, deren zentrale Forderung die Schaffung einer leistungsfähigen Ost-Westverbindung ist, ohne dass sie dabei sagen können, wie diese eigentlich aussehen soll, und über Dinge wie den angeblich gefährdeten Fortbestand von Edeka-Auslieferungslagern ist Kerstin Popp aus persönlicher Erfahrung also vorsichtig geworden und rückversichert sich.
Aber zurück zum Beitrag von Quer, in dem auch Ausbaubefürworter Dr. Hans Peter Friedrich zu Wort kommt.
Einerseits ist es verstörend zu sehen, wie sich ein gestandener Bundestagsabgeordneter über ein sinnfreies Straßenbauprojekt freut, anstatt sich gegen die Verschwendung von Steuergeldern stark zu machen.
Andererseits ist es aufschlußreich.
O-Ton Hans Peter Friedrich:
"Ich habe mit ganz ganz vielen Ministern, Staatssekretären, Beamten, verkehrspolitischen Sprechern in den letzten 15 Jahren darüber gesprochen, und ich bin sehr sehr glücklich dass es jetzt endlich gelungen ist-"
Ach.
Aha.
So wird Verkehrspolitik gemacht?
Jemand wünscht sich eine vierspurige Straße. Und zwar so sehr, dass er anno 2001 mit einem anderne CSU-Politiker eine "überparteiliche" Initiative dafür initiiert. Und spricht dann die nächsten 15 Jahre einfach mit ganz ganz vielen Ministern etc.. ?
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Kleiner Exkurs an dieser Stelle.
Zur Debatte am 2.12.2016 zum Fernstraßenausbaugesetz gibt es einen Beitrag des Unionsberichterstatters für die grundsätzliche Methodik und den Verfahrensablauf des Bundesverkehrswegeplans, Patrick Schnieder.
http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2016/kw48-de-fernstrassenausbau/481896
Patrick Schnieder wies den Vorwurf, die Abgeordneten der Großen Koalition würden sich Projekte in den Wahlkreisen zuschanzen, als „unhaltbare Unterstellungen“ zurück.
Unhaltbare Unterstellung
Oder anhand des Beispiels weiterer Ausbau der Ortsumgehung Schirndig vielleicht doch konkret zu belegen.. ?
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Zurück zum Quer-Beitrag, an dem es natürlich auch Kritik gab.
Hans Peter Friedrich CSU beispielsweise schrieb dazu auf seiner FacebookSeite:
"Leider hat die "Anstalt für Information und Wahrheit" vergessen zu erwähnen, dass es sich bei der Straße um den Lückenschluss zwischen dem deutschen und dem tschechischen Autobahnnetz handelt. Ab 2022 wird man von Prag bis Schirnding/Landesgrenze vierspurig fahren. Aber es passiert schon mal, dass die Wahrheitswächter solche Nebensächlichkeiten vergessen!"
Quer hat darauf geantwortet.
"Hallo Herr Friedrich, da Sie aus Ihrer Zeit als Minister ja wissen, wie man mit Geheimnissen umgeht, können Sie der "Anstalt für Information und Wahrheit" doch sicher auch verraten, welche Lücke dieses 2,5km lange Bauwerk wirklich schließen soll? Denn das Bundesverkehrsmysterium sieht im weiteren Verlauf für eine vierspurige B303 von der tschechischen zur deutschen Autobahn "keinen Bedarf". Siehe Bundesverkehrswegeplan 2030."
Und auch Gert Hartmann hat geantwortet.
"Ich bin ein Freund von sachlicher Politik unabhängig von der Parteizugehörigkeit. Schade das Sie keine Sachkenntnis bei diesem Thema haben. Tschechien hat sein Pendant zum Bundesverkehrswegeplan im Internet veröffentlicht. Da es auch um Fördergelder der EU geht, ist dies auch komplett in englischer Sprache verfügbar. Dieser 'Verkehrswegeplan' ist anders gegliedert als der deutsche. Es gibt eine Ausbaustufe bis 2020 und einen 'weiteren' Bedarf bis 2030. Damit Sie zukünftig keinen solchen Quatsch verbreiten gebe ich Ihnen hiermit den Link zum tschechischen Verkehrswegeplan. Zur schnellen Info reicht ein Blick auf: "Annexes M1 - M9: Maps" Wie Sie sehen ist bis 2030 kein durchgehender Ausbau der Verbindung von Schirnding nach Prag geplant. Bitte verbreiten Sie zukünftig keine solchen Lügen mehr. Danke! Dann brauchen Sie auch nicht den öffentlichen Rundfunk zu verunglimpfen. Seien Sie doch auch bei Ihren Pressemitteilungen sachlicher. Zum Beispiel schreiben Sie am 03.08.2016 dass die B303 zwischen Schirnding und A93 im Bundesverkehrswegeplan ist. Auch das ist Quatsch. Bitte gehen Sie verantwortungsvoll mit unseren Steuergeldern um und verschwenden Sie diese nicht für solch unsinnige Straßenbauprojekte. Danke!"
Ginge es nach dem Wort der Ausbaubefürworter, würde man schon seit spätestens 2009 zwischen dem Grenzübergang Schirnding und Prag auf einer vierspurigen Straße fahren.
Nach dem aktuellen Tschechischen Verkehrswegeplan wird man dies aber auch ab 2022 noch nicht tun. Man wird es nicht einmal ab 2030 tun.
Und selbst wenn unsere tschechischen Nachbarn tatsächlich irgendwann einmal Millionen Euro für einen nicht erforderlichen Straßenausbau ausgeben wollen würden - warum sollten wir es ihnen dann nachmachen?
Egal wie man es dreht und wendet, simpler Fakt ist:
Auf der für 20.000 Kfz gebauten Ortsumgehung Schirnding fahren derzeit knapp über 5.000 Kfz. Die verkehrliche Bewertung hat eine künftige mittlere Verkehrsbelastung von lediglich 6.000 Fahrzeugen pro Tag ergeben.
5000 JETZT
und 6000 KÜNFTIG
sind kleiner als 20.000 BESTEHEND.
Ein Ausbau ist nicht erforderlich.