Bundesverkehrsminister Dobrindt hat also am 21.09.2016 seinen eigenen, gut begründeten Bundesverkehrswegeplan 2030 ausgehebelt. Er hat 11 Millionen Euro Steuergelder für den sofortigen Bau eines Projekts nach dem ALTEN Bundesverkehrswegeplan freigegeben, das lediglich aufgrund eines Rechenfehlers dorthin gelangen konnte, und das auch im neuen Bundesverkehrswegeplan nur aufgrund eines erneuten Rechenfehlers enthalten ist.
Nun, der alte Fehler wurde erkannt, aber trotz wiederholter Zusage nie korrigiert.
Ministerialrat Manfred Jung von der Obersten Baubehörde war 2007 in Tröstau bei bei einer Veranstaltung aufgetreten. Es war ihm wichtig gewesen, den Bedarf für den Ausbau der B303 mit dem hohen Nutzen-Kosten-Verhältnis von 3 herauszustreichen.
Daraufhin schrieb ihm Prof. Wolfgang Batrla eine email, in der er ihm ihm mitteilte, dass N/K 3 um den Faktor 2 zu hoch ist, und dass er bereits 2003 das Ministerium auf den Fehler hingewiesen hatte.
(Wie wir wissen:
Mit dem korrekten Wert wäre die Strasse nie in den vordringlichen Bedarf gekommen, denn die Schwelle für den vordringlichen Bedarf beim Bundesverkehrswegeplan 2003 lag bei N/K 3. Nur mit den falschen Zahlen gelangte das Projekt gerade noch in den vordringlichen Bedarf.)
Die Antwort von Manfred Jung:
Sehr geehrter Herr Batrla,
über Ihre Ausführungen zu einem zu hohen
Nutzen/Kosten-Faktor bei der
Bedarfsplanfortschreibung habe ich gestern mit Herrn
Bartsch vom BMVBS
gesprochen. Wie bereits in den von Ihnen zitierten
Gesprächen hat Herr Bartsch einen
Fehler in den Prins-Daten bestätigt, den der Bund im
Laufe des Sommers korrigieren
will.
Mit freundlichen Grüßen
Jung
Sehr geehrter Herr Batrla,
selbstverständlich im Sommer 2007, sonst hätte ich das
Jahr dazugeschrieben. Wir
werden Sie informieren, wenn der Fehler behoben ist.
Die Information erfolgte genausowenig wie die Behebung des Fehlers.
Nach der überraschenden Baufreigabe des Teilstücks der Ortsumgehung Schirnding am 21.09.2016 wendet sich Kerstin Popp an die 5 Staatssekretäre im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur.
Sie schreibt am 14.10.2016 unter dem Betreff: trotz wiederholter Zusage nie korrigierter Fehler Ihres Ministeriums
"ich muß mich heute in einer ebenso dringlichen wie ernsten Angelegenheit an Sie wenden.
Aufgrund eines alten Fehlers, den Ihr Ministerium trotz wiederholter Zusage nie korrigiert hat, hat Bundesverkehrsminister Dobrindt Baufreigabe für ein Projekt erteilt, das es von Rechts wegen gar nicht geben dürfte.
11 Millionen(!) Euro Steuergelder sollen für den weiteren Ausbau von 2,5 Kilometer Straße ausgeben werden, auf der derzeit rund 5.000 Kfz fahren, für die die verkehrliche Bewertung eine künftige mittlere Verkehrsbelastung von 6.000 Kfz ergeben hat, die aber bereits für 20.000(!) Kfz gebaut ist.
Das kann es nicht sein.
Die Angelegenheit hat bereits erste öffentliche Aufmerksamkeit erregt.
Wollen Sie sich ihrer annehmen und sie klären, bevor sie größere Kreise zieht und der Bundessrechnungshof und der Bund der Steuerzahler eingeschaltet werden?
Sicher lässt sich dieses Mißverständnis zügig aus der Welt schaffen.
Es geht um den weiteren Ausbau eines Teilbereichs der seit 1995 bestehenden Ortsumgehung Schirnding, von der Ihr Ministerium wiederholt bestätigt hat und auch aktuell bestätigt, dass die Verkehrbelastung mit dem heute vorhandenen Querschnitt verträglich abgewickelt werden kann.
Ich war diesbezüglich einige Male in Kontakt mit einem früheren CSU-Staatssekretär. Seine Vernunft und Logik in Sachen Ausbau B303 hat mich beeindruckt. Andererseits - ich denke man muß nicht unbedingt ein CSU-Staatssekreär sein, um eine Sache logisch und vernünftig einschätzen zu können -
Beim Straßenbau geht es um Zahlen und Fakten.
Simpler Fakt ist, dass ein weiterer Ausbau der Ortsumgehung Schirnding nicht erforderlich ist.
(...)
Für Rückfragen und weitere Informationen stehe ich jederzeit gerne zur Verfügung.
Ich vertraue auf Ihre Unterstützung und freue mich darauf, in dieser
Angelegenheit von Ihnen zu hören!"
Und da Kerstin Popp nun schon einmal dabei ist, informiert sie am 17.10.2016 auch noch die Mitglieder des Umweltausschusses des Bundestages, denn der Ausschuss ist mitberatend beim Verkehrswegeplan.
Dem Ausschuß für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit gehören 37 Mitglieder an.
CDU/CSU: 17
SPD: 11
Linke: 4
Grüne: 5
Um es kurz zu machen: Die Erfahrung ist ähnlich wie die mit den Mitgliedern des Verkehrsausschusses. Auch hier scheinen sich die wenigsten Ausschußmitglieder selbst mit der angesprochenen Problematik auseinanderzusetzen und leiten die email allenfalls weiter an den Parteikollegen vom Verkehrsausschuss. Oder an den für den Wahlkreis zuständigen Abgeordneten...
Überraschend erhält Kerstin Popp am 18.10.2016 eine email aus dem Büro von Dr. Hans Peter Friedrich.
Man teilt ihr mit, dass zwei der kontaktierten Ausschußmitglieder (einmal Verkehr, einmal Umwelt) Kerstin Popps emails zuständigkeitshalber an das Büro von Herrn Dr. Friedrich weitergeleitet haben und ihm diese nun zur Kenntnis gereicht werden.
Zuständigkeitshalber?
Ist Dr. Friedrich zuständig dafür und entscheidet darüber ob / inwieweit sich - (beide Herren und somit) - beide Ausschüsse mit der in Kerstin Popps email mit Bitte um Unterstützung aufgezeigten Problematik befassen?
Am 7.11.2016 bittet Kerstin Popp die Staatssekretäre um einen Zwischenbescheid.
Am 8.11.2016 erhält sie Antwort von einem Staatssekretär direkt, er teilt mit, dass er seinerzeit ihre email gleich an Frau Staatssekretärin Bär übersandte, "die innerhalb des Ministeriums für Bayern zuständig ist".
Am 8.11.2016 antwortet auch Frau Staatssekretärin Bär. Sie bedankt sich bei Kerstin Popp für ihre Anfrage (Anfrage?) und teilt ihr mit, dass sie diese "der Zuständigkeit halber an das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur weitergeleitet" habe, von dort wird eine Antwort erfolgen.
Und tatsächlich schreibt "Ihr Bürgerservice, Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur", mit einem offiziellen Aktenzeichen, ebenfalls am 8.11.2016, und teilt mit, dass Kerstin Popps Schreiben an die Fachabteilung weitergeleitet wurde, da für die Beantwortung eine Zuarbeit/Abstimmung erforderlich ist.
Kerstin Popp bedankt sich und schickt zur Vereinfachung noch eine Datei mit detaillierten Informationen. Es ist die fundierte, dreiseitige Analyse von Prof. Wolfgang Batrla. Ihr Erhalt wird bestätigt.
Endlich!
Endlich wird die Angelegenheit nun konkret bearbeitet werden!
Endlich sieht sich nun jemand die Sache genau an. Die Fachabteilung wird involviert!
Die Fachabteilung wird die Problematik erkennen! Und den alten Rechenfehler und das jahrelange Versäumnis des Bundesverkehrsministeriums, seinen Fehler zu korrigieren, aufgrund dessen es nun am 21.09.2016 überhaupt zu dieser sonderbaren Baufreigabe kommen konnte. Sie wird auch den neuen Rechenfehler erkennen. Verkehrsminister Dobrindt wird daraus die einzige logische Konsequenz ziehen können, die möglich ist, immerhin ist die Ortsumgehung Schirnding bereits für 20.000 Kfz gebaut und laut Prognose werden nicht mehr als 6.000 darauf fahren - der weitere Ausbau ist nicht nötig, die 11 Millionen Euro Steuergelder können anderswo für erforderliche Projekte verwendet werden ---
Ja?
Nein.
Am 15.12.2016 erhält Kerstin Popp eine email wieder mit dem vagen Absender "Ihr Bürgerservice Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur".
Komischerweise bezieht sich der Bürgerservice dabei auf die email an die vier Herren Staatssekretäre - was ist mit Frau Staatssekretärin Dorothee Bär, die Kerstin Popp neben den 4 Herren zeitgleich ebenfalls kontaktiert hatte-
Man teilt mit dass im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen 2004 der Ausbau der B303 zwischen der Landesgrenze Deutschland/Tschechische Republik bis zur Anbindung an die A93 als Maßnahme des Vordringlichen Bedarfs enthalten war.
Ja, aber nur wegen dem alten Rechenfehler. Darauf wird mit keinem Wort eingegangen.
Man teilt mit, dass im Rahmen der Aufstellung des Bundesverkehrswegeplans 2030 das Projekt neu bewertet wurde und dass die auf Grundlage aktueller Daten erstellte Nutzen-Kosten-Analyse ein Nutzen-Kosten-Verhältnis 1,3 ergeben hat.
Ja, aber das Nutzen-Kosten-Verhältnis 1,3 paßt nicht. Es ist viel zu hoch. Es basiert auf einem neuen Rechenfehler. Auch darauf wird mit keinem Wort eingegangen.
Man teilt mit, dass das Projekt im BVWP 2030 in den Weiteren Bedarf mit Planungsrecht (WB*) eingestuft wurde und dass diese Einstufung mit Beschluss des 6. Fernstraßenausbauänderungsgesetzes am 02.12.2016 durch den Deutschen Bundestag bestätigt wurde.
Ja, aber doch wohl nur aus dem einzigen Grund, dass SPD und CDU/CSU all die zahlreichen fundiert begründete Einwände und Änderungsanträge einfach ignorierten und das Projekt aufgrund ihrer Mehrheit gewissermaßen einfach durchwinken konnten.
Man teilt mit dass darüber hinaus bestandskräftiges Baurecht für den ersten Abschnitt der 2. Fahrbahn der OU Schirnding bereits vorliegt.
Ja, aber nur aufgrund des alten Fehlers. Und zudem liegt es schon geraume Zeit vor ohne dass gebaut wurde, denn es gab schlichtweg keinen Bedarf. Es gibt auch heute keinen Bedarf. Dies hat das Verkehrsministerium in der Vergangenheit wiederholt bestätigt und bestätigt es auch aktuell.
Man teilt mit, dass damit die notwendigen Voraussetzungen für einen Baubeginn des Vorhabens gegeben sind und die Mittel aus dem Bundeshaushalt bereitgestellt werden, wenn die Maßnahme in den Straßenbauplan aufgenommen wurde.
Ja aber diese Voraussetzungen basieren doch auf Fehlern...
Nun.
Dieses millionenteure, vierspurige Ausbaustück von nur 2,5 km Länge ist jedenfalls ein Paradebeispiel par excellence für irrationale, völlig sinnfreie Politik.
Die Bundesregierung darf sich angesichts solcher Beispiele nicht wundern, wenn die Menschen nicht mehr zum Wählen gehen oder Protestparteien wählen.
Kerstin Popp will mit solchen Protestparteien nichts zu tun haben.
"Als engagierter Bürger wende ich mich direkt an die politischen Entscheidungsträger. Und investiere Zeit und Mühe für emails - an die 37 Mitglieder des Umweltausschusses, der mitbestimmend ist beim Bundesverkehrswegeplan und beim Straßenbau; dem Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur gehören 41 Mitglieder an; es gibt 5 Parlamentarische Staatssekretäre im Verkehrsministerium - als kleiner Wähler habe ich dadurch immerhin zum erstenmal bewußt wahrgenommen, was für Apparat in Berlin da doch für mich tätig ist. Aber ganz ehrlich: Das NutzenKostenVerhältnis erscheint mir noch geringer als das für Projekt Ortsumgehung Schirnding B303-60580-BY-T02-BY...